
BH Lynx Test: wer wie ich, keinen XC- oder Rennrad-Hintergrund hat, der wird wahrscheinlich noch nicht viel von BH-Bikes gehört haben. Auch ich hatte den spanischen Familienbetrieb bisher kaum auf dem Schirm. Vor über 100 Jahren begannen die Gebrüder Beistegui im spanischen Eibar Fahrräder für jedermann herzustellen: den Alltagsrädern folgten schnell erste Rennräder, später ergänzten auch Mountainbikes das Portfolio. Mittlerweile bietet BH-Bikes vom E-Bike bis hin zum Enduro Bike alles an. Wir nahmen uns das noch junge Enduro-Bike Lynx in der Alu-Einsteigerversion 8.7 zur Brust.
BH Bikes Lynx 6 27.5″ Alu 8.7
Kurz und bündig
- Aluminium-Rahmen mit Split Pivot-Hinterbausystem
- 27,5 Zoll Laufräder
- 150 mm Federweg vorn und hinten
- Charakter laut Hersteller: verspielt, antriebsneutral, lebendig
- 2×10-Antrieb
- erhältliche Größen: S (15 Zoll), M (17,5 Zoll), L (19 Zoll), XL (21 Zoll)
- Gewicht des Testbikes: 13,8 kg (bei Größe “L”, ohne Pedale)
- Preis: 2.699,90 Euro für das Komplettbike
BH Lynx – Erster Eindruck
Der erste Eindruck eines Bikes ist zwar nicht sonderlich aussagekräftig und größtenteils oberflächlicher Natur, allerdings kann er schon einiges über die Grundcharakteristik eines Bikes aussagen. Fangen wir mit der Optik an: Über Rahmenformen kann man sich bekanntlich streiten, da das nun einmal immer eine Geschmackssache bleiben wird. In meinen Augen fällt die Formgebung des BH Lynx Alu-Rahmens sehr homogen und gleichzeitig aufs Wesentliche reduziert und clean aus. Keine überflüssigen gebogenen Rohre oder Hydroforming. Die Decals hätten etwas dezenter gehalten werden können, um so mit der Rahmenform ein einheitlicheres Bild abzugeben. Aber das ist wie gesagt eine Frage des Geschmacks. Fast schon unschön wirkt hingegen der 2×10-Antrieb, der mit Umwerfer und zweifach Kurbelgarnitur verhältnismäßig klobig wirkt. Wer sich einmal an den reduzierten Look eines 1×11-Antriebs gewöhnt hat, will diesen ungern wieder missen.


Der berüchtigte Parkplatztest:
Das BH Lynx 6 bietet beim ersten Aufsitzen in jeder Hinsicht “Wohlfühlqualitäten”. Einmal darauf gesetzt und alles fühlt sich direkt sehr vertraut an. Der hauseigene 70 mm lange Vorbau kommt meinem Fahrstil allerdings nicht entgegen, daher tausche ich ihn gegen meinen 35-mm-Vorbau. Da mir das Cockpit nun etwas zu tief ist, untersetze ich den Vorbau mit einem Spacer mehr. Durch diesen Aufbau fällt der Charakter des Bikes direkt eine ganze Ecke sportlicher aus.
Die Federelemente sind ebenfalls schnell eingestellt: Es gibt ja nicht viel daran zu machen. Der Dämpfer verfügt über eine extern einstellbare Zugstufe und einen Lock-Out-Hebel. Die Gabel bietet eine Zugstufen-Verstellung und einen Plattform-Modus mit sechs möglichen Stufen. Allerdings lässt sich das Ganze auf die drei Standardmodi Downhill, Trail und Uphill reduzieren – bei der jeder noch einmal unterteilt ist. So sind die beiden ersten Modi für die Abfahrt, die nächsten für flache Trail-Passagen usw. Ich stelle die Gabel und das Heck auf ca. 25% Sag ein und öffne die “Druckstufe” um fünf Klicks (DH 2). Jetzt noch Pedale drauf und ab auf die Trails.

Praxistest
Uphill
Bevor es talwärts geht, muss man sich seine Tiefenmeter erst einmal erkämpfen. Die Kindshock Vario-Stütze bietet mit ihren 125 mm Hub, für meine Körpergröße, einen vollkommen ausreichenden Verstellbereich. Im entspannten Uphill kann mich das Lynx durchaus begeistern. Der Hinterbau ist durchaus antriebsneutral, ganz wie es der Hersteller verspricht. Der Climb-Modus der Gabel wird so eigentlich nur im Wiegetritt benötigt, ebenso wie die Lock-Out Funktion des Dämpfers. Doch selbst im Wiegetritt sackt der Hinterbau kaum weg und bietet ausgesprochen gute Vortriebsqualitäten.
Im stehenden Wiegetritt mach sich jedoch schnell die Kombination aus kurzem Reach und kurzem Vorbau negativ bemerkbar – geht man in steileren Uphill-Passagen bewusst mit dem Oberkörper nach vorne, so ist ein Spielraum zwischen Beinen und Cockpit quasi kaum noch vorhanden. Auch im Sitzen fühle ich mich teilweise unwohl: Der relativ flache Sitzwinkel und der kurze Hauptrahmen sorgen mit steigendem Gefälle für ein kippeliges Gefühl auf dem Rad. Ein längerer Vorbau oder gar ein breiterer Lenker könnte dem entgegen wirken, da der Oberkörper (Körperschwerpunkt) nach vorn gezogen werden würde, wodurch mehr Last auf dem Vorderrad für Stabilität sorgen würde. Da es in meinem Testgebiet (Schwäbische Alb) kaum lange Anstiege gibt, bleibe ich dem kurzen 35 mm Vorbau treu, um bergab ein direkteres Fahrgefühl zu erhalten.
Im Uphill auf unseren Spitzkehren-Trails kommt die Wendigkeit und der gute Vortrieb des Lynx voll zur Geltung. Das Bike lässt sich spielend leicht umsetzen und ausbalancieren. Muss man einmal Fahrt raus nehmen, so lässt sich das Rad umgehend wieder beschleunigen, wobei die eingespeiste Kraft bestens auf den Boden gebracht wird. An dieser Stelle bin ich dankbar für den 2×10 Antrieb und die eben noch kritisierte Optik ist zugunsten einer entspannten Fahrweise schnell vergessen. Einziges Manko, der Hinterradreifen ist nicht unbedingt für herbstliche und matschige Ausfahrten gemacht.



Trail
Um nicht direkt wieder alle Höhenmeter kaputtzumachen, geht es erst einmal ein paar Trails auf der Albkante entlang. Dieses ständige Auf und Ab dürfte wohl dem typischen Einsatzbereich eines Trail-Bikes entsprechen. Auch hier macht das Lynx eine gute Figur. Wie bereits beim Uphill lässt sich das Bike auch in der Ebene sehr gut antreten und somit ohne großen Kraftaufwand in Schwung halten.
Leider sackt die Gabel bei starken Antritten etwas zu stark weg, weshalb ich die Plattform um einen weiteren Klick schließe. So kann ich aktiver und aggressiver fahren und rutsche in kleineren Anliegern weniger über das Vorderrad. Allgemein bin ich von der günstigen Rock Shox Sektor Gabel jedoch sehr angetan. Trotz der recht überschaubaren Verstellmöglichkeiten und der groben Rasterung der Plattform, vermisse ich kaum etwas. Die Gabel spricht bei kleinen Schlägen fein an, kann aber bei größeren Schlägen immer noch etwas dagegen halten. Eine Pike funktioniert natürlich spürbar besser, kostet aber auch das doppelte. Für Einsteiger- und Gelegenheitsfahrer ist die Performance der Sektor völlig ausreichend, solange man nicht ausdauernde Abfahrten in den Alpen damit bewältigen möchte.
Der Hinterbau funktioniert ebenfalls recht gut. Wie schon die Gabel muss ich jedoch auch den Dämpfer nochmals straffer abstimmen, da er mir zu oft durchschlägt und auch im mittleren Federwegsbereich etwas zu wenig Support bietet. Da der Monarch RL allerdings nur über eine Lock-Out Funktion verfügt und sich die Druckstufen-Dämpfung nicht extern einstellen lässt, muss ich das Fahrwerk über die Luftfeder abstimmen. Das bedeutet weniger SAG, der sich letzten Endes bei rund 20 % einpendelt.
Das BH Lynx fährt sich mit diesem Setup um einiges sportlicher als zuvor. Der Michelin Wild Race’R Reifen am Heck neigt bei kräftigen Sprints sowie im steilen Uphill zu spürbarem Grip-Verlust, auf flachen Trails sowie in Sachen Kurvenhalt macht er jedoch eine gute Figur. Durch das Semislick Profil und die dünne Lauffläche hat der Reifen einen geringen Rollwiderstand, ohne in Kurven zu schnell nachzugeben. Was mich weiterhin begeistert, ist der lebendige Charakter des Bikes. Der kurze Reach macht das Bike verspielt, wobei der moderate Lenkwinkel von 67° auf flowigen und flachen Trails auch bei hohen Geschwindigkeiten spritzige Lenkbewegungen ermöglicht. Eine gelungene Geometrie für Spaß orientierte Fahrer, die mich vom Charakter an ein Specialized Demo erinnert: klein, wendig, verspielt und trotzdem irgendwie schnell.
Abfahrt
Was wäre ein guter Test ohne eine Bergabwertung? Im Großraum der Schwäbischen Alb haben wir zwar nicht besonders viele harte Abfahrten und schon gar keine langen, aber um einen guten Eindruck über die Abfahrts-Performance des Lynx zu bekommen reicht es dann doch. Auf den schnellen flüssigen Abfahrten behalte ich meine Trail-Einstellungen bei. Je härter es jedoch zur Sache geht und je tiefer die Schläge die Gabel in den Federweg donnern, desto mehr muss ich feststellen, dass ich mit diesem Setup keinen Blumentopf gewinnen werde. Solange man sich auf weniger harten Linien hält, lässt sich das Lynx sehr direkt und einfach navigieren und somit gut die Linie treffen. Werden die Schläge hingegen zu intensiv, prallt das Bike eher von den Steinen ab, als sie zu absorbieren.
Für die härteren Abfahrten ändere ich daher die Plattform wieder um einen Klick (Richtung offen) und lasse etwas Luft aus dem Dämpfer. So arbeitet das Fahrwerk schon deutlich besser und das BH liegt ausreichend satt auf der Piste, ohne den Fahrer mit unvorhersehbaren Reaktionen zu überraschen. Auch bei groben Schlägen kann ich noch navigieren, ohne einfach nur hin und her geworfen zu werden. Ich habe aber das Gefühl, dass das Rad nicht so wirklich glücklich in diesem Terrain wird, was mir die Frage aufwirft, wie das Fahrverhalten wohl erst auf anspruchsvollen Alpin-Trails seien würde. Erstmals fühle ich mich auch weniger in das Bike integriert, sondern viel mehr oben auf. Ich fahre daher weiterhin lieber die weniger ruppigen Linien, auf denen das Lynx, durch seine handliche Art umso mehr Spaß macht.


BH Lynx Test: Fazit
Das BH Lynx ist ein echtes Spaß-Bike. Wer gerne flowige Trails fährt, Spitzkehren liebt und eigentlich an jeder Wurzel eine kleine Spielerei einlegen will, der wird mit dem Lynx definitiv sehr viel Spaß haben. In richtig grobem Geläuf zeigt das Fahrwerk sowie die kurze Geometrie des Bikes dem Fahrer jedoch schnell seine Grenzen auf. Die Ausstattung dieses Einsteiger-Modells entspricht dem beschriebenen Einsatzbereich des Bikes und richtet sich eher an Gelegenheits-Biker.
—————————————————————
Infos zum Test und Testfahrer
Tester: Joni
Körpergröße: 175 cm
Gewicht (mit Riding-Gear): 70 kg
Schrittlänge: 79 cm
Armlänge: 41 cm
Oberkörperlänge: 49 cm
Mein Fahrstil: Aggressiv und verspielt; nutzt das Gelände für sich; nicht die schnellste, sondern die spaßigste Linie zählt
Ich fahre hauptsächlich: DH sprunglastig (Bikepark), auch Dirt (eigentlich alles, Hauptsache Rad dabei)
Vorlieben der Fahrwerks-Abstimmung: straff und schnell
Vorlieben bezüglich Rahmen: langes Oberrohr, Hinterbaulänge abhängig vom Einsatzgebiet
Wo wurde getestet?
- auf den weitreichenden Trails der Schwäbischen Alb
Video: BH Lynx Test
MTB-News Testfahrer Joni fährt das BH Lynx Enduro-Bike von Maxi – Mehr Mountainbike-Videos
Das Rad im Detail
Unser Testbike
- Rahmen: Lynx 6 Alloy 150mm
- Federgabel: Rock Shox Sektor Gold RL 150mm
- Dämpfer: Rock Shox Monarch RT
- Lenkervorbau: BH Lite Enduro
- Lenker: BH Lite Rizer
- Schalthebel: Shimano Deore
- Schaltwerk: Shimano XT
- Umwerfer: Shimano SLX
- Kurbelgarnitur: Shimano M625 38/24
- Bremsen: Magura MT2
- Sattelstütze: KS Supernatural 31,6 mm
- Radsatz: BH Lite
- Vorderradreifen: Michelin Wild Grip’R 2.35
- Hinterradreifen: Michelin Wild Race’R 2.35
Technische Daten
Hersteller | BH Bikes |
---|---|
Modell | Lynx |
Modelljahr | 2015 |
Rahmenmaterial | Aluminium |
Einsatzbereich | All Mountain / Enduro |
Testkategorie | Komplettbike |
Hinterbausystem | Split Pivot |
Federweg (Rahmen) | 150 mm |
Laufradgröße | 27,5" (650b) |
Federweg Gabel (Herstellerempfehlung) | 150 mm bis 160 mm |
Dämpfereinbaulänge / Hub | |
Steuerrohr | 1,5" tapered |
Tretlager | Press Fit 92 |
Umwerferaufnahme | High Direct Mount |
Kettenführungsaufnahme | ISCG 05 |
Sattelrohrdurchmesser | 31,6 mm |
Bremssattelaufnahme | Post Mount 160 |
Ausfallenden | 12 mm x 142 mm (X12 Achse) |
Austauschbares Schaltauge | ja |
Verstellbare Geometrie | nein |
Rahmengewicht | |
Komplett-Bike-Gewicht | 13,8 kg (Größe "L", ohne Pedale) |
Preis | 2.699 Euro |
Geometrie
Größe | Small | Medium | Large | X-Large |
---|---|---|---|---|
Sattelrohrlänge | 380 mm | 440 mm | 480 mm | 530 mm |
Reach | 400 mm | 412 mm | 426 mm | 438 mm |
Stack | 596 mm | 606 mm | 615 mm | 624 mm |
Lenkwinkel | 67° | 67° | 67° | 67° |
Sitzwinkel | 73° | 73° | 73° | 73° |
Oberrohrlänge (horizontal) | 585 mm | 615 mm | 630 mm | 645 mm |
Hinterbaulänge | 430 mm | 430 mm | 430 mm | 430 mm |
Tretlagerhöhe | 334 mm | 334 mm | 334 mm | 334 mm |
Tretlagerabsenkung | -18 mm | -18 mm | -18 mm | -18 mm |
—————————————————————
- Redaktion: Jonathan Kopetzky
- Testfahrer: Jonathan Kopetzky
- Bilder: Jens Staudt (alle weiteren Bilder zum Test gibt es hier: BH Lynx Album)
- Weitere Informationen: bhbikes.com
Der Beitrag BH Bikes Lynx 6 27.5″ Alu 8.7 – Test: Was kann das verspielte Einsteiger-Enduro? ist auf MTB-News.de erschienen.